akute zeiten


eine spurensuche als petitio principii

dauerregen von früh bis spät.
die heute unbenutzte draussen-welt.

 
weil die winter zu mild ausfallen, vermehren sich die zecken in den wäldern, aber die maikäfer auf den wiesen nicht. sie sind eher im naturkundemuseum zu finden. bald hat man dort alle seltenen tiere ausgestopft und multimedial archiviert.

 
nach einer einstweiligen verfügung gegen die Stiftung Waren- test darf eine Ritter-Sport-Schokolade nicht mehr bemängelt werden. also lieber keine kaufen?

 
die u-bahnen sind so voll wie sonst nie an einem verregneten novembersonntag.
es ist totensonntag.

 
jene wut mitunter gegen nichts und niemanden. doch wenn ich freundlich bleibe, kann mir nichts passieren.

 
in der stadtbibliothek leiht man mehr unterhaltende fantasy-romane aus und immer weniger literatur. aussortierte klassiker werden für kleine spenden im foyer verramscht.

 
Gogols letzte worte: eine leiter, rasch eine leiter!

 
die feinen unterschiede: ein Picasso als poster ist peinlich, das original besitzen dagegen reichlich nobel.

 
bei bekannten namen meine andauernden verwechslungen, die freie assoziationen sind. was man alles verwässern muss und was man alles verwässern darf.

 
allzu prominente wollen in der medienwelt nicht öffentlich gefunden werden. sie stellen mit scham- oder schuldgefühl lösch-anträge bei der grössten internationalen suchmaschine.

 
manche menschen sind so vornehm, dass man ihnen vieles und sogar ihren reichtum verzeiht.

 
tiefliegende haufenwolken stauen sich über der abendlichen stadt, so drückend und drohend.

 
zeitgenössische künstler werden immens teurer. auktionen im nächsten jahr könnten die 200 millionen-marke für ein bild knacken. selbst die so populär gehandelten sind über diese inflation erstaunt.

 
ohne verpflichtende brotarbeiten habe ich endlich zeit für eine lang aufgeschobene grippe.

 
aprilkälte im november.
wenn schlechtes zu vermelden ist, sind nachrichtensprecher im fernsehen blass geschminkt.

 
mitunter reicht es, teilnahmslos zu sein. wenn die menschen nicht reden, sondern beim bahnfahren nur dösen, sind sie am schönsten.

 
0,1 prozent der haushalte verfügen hierzulande über ein kapital von 9,3 billionen euro. ist das grössenwahn?

 
jeden tag, an dem mithaie und börsenspekulanten kein geld verdienen, verlieren sie welches.

 
machthungrige menschen sollten exorbitant in die höhe und breite wachsen, so hätte man von ihnen vielleicht weniger zu befürchten.

 
diese vielen monster in der wohnung. da man ein kind hat, muss man hässlichste spielzeuge ertragen und permanent aufräumen.

 
der untergang der dinosaurier ist keine warnung mehr. das aussterben der reptilien giganten wird mit einer kosmischen katastrophe erklärt.

 
das verhängnisvollste, was der mensch bisher erfunden hat, sind seine heilserwartungen. durch sie werden selbstmord- attentäter motiviert und fanatische bürgerkriege alimentiert.

 
vielleicht gibt irgendwann mal eine gesellschaft, die keine gesellschaft mehr braucht.

 
dass die sonne in fünf milliarden jahren als roter riese die erde schlucken wird, ist gewiss. wie lange es die menschliche hybris geben wird, indes völlig unklar.

 
man sollte mal das aufschreiben, was man in der zukunft denken wird. es könnte sein, dass einem dann nichts mehr einfällt.

 
da es keine letzte, letztendlich überzeugende kunst gibt, stets das gefühl von einer herben enttäuschung, wenn ich aus einer ausstellung komme.

 
der künstler in der mediengesellschaft ist ein verhindertes raumschiff, das nicht richtig abheben kann, entweder wegen zu viel oder wegen zu wenig bewunderung.

 
das rascheln der fallenden blätter in der nacht. und danach intonationen von letzten kastanien.

 
zwei wochen lang müssen bischöfe jetzt über sex reden. der neue Papst hat zum thema ehe und familie eingeladen.

 
der absatz der deutschen brauereien schrumpft. immer mehr menschen trinken immer weniger bier.

 
man ist nicht originell, man ist konform oder nonkonform.
wohin kann man sich noch zurückziehen? in ein pervertiertes nichts? oder besser in ein gar nichts?