luftfragmente


frank richter


eine klarstellung in blau
ohne schwalbe davor

dieser morgen ist
einer von vielen

als schnappschuss
auch ein unikat

wie das hemd
unbefleckter auftakt

vor dem frühstück
für einen amtstermin

noch ohne patina
auf business gebügelt





der linke bürgersteig
ähnelt dem rechten
wie ebenso umgekehrt

im stadtgedränge
mal hier und mal da
ein freigänger sein

mobil ohne ticket
mit zoomender weite
alles nah haben wollen

gespräche erfinden
zeitkolorit performen
fortlaufend unklar

als relative person
kurzer zeitgeschichten
eine art portfolio





nur taubenkotweisses
wo man unter wolken
der sonne kein schatten ist

gegen halluzinationen
zwei schritte vor
zwei schritte zurück

am Leopoldplatz
tour de Wedding
in aufnahme-momenten

molekulant
der tägliche input

das durchsichtige
immer mit im auge

präzisionsvage
milligenau





wie redundant ist
was man wahrnimmt
stete dem Hermannplatz

etwas fehlt ständig
und geht nicht auf
im urbanen treiben

beim ausharren mutieren
die hier ausharrenden
zu verwandten oder bekannten

frei von zeitnot mutieren
die hier ausharrenden
zu verwandten oder bekannten

in einem traum den
man quasi so
als ob hätte





auf fit for fun
reimt sich heute
profan hit the run

eine büroarbeit
ist eine pression
und keine passion

ereignet sich wenig
sind müde augen
nach innen gekehrt

unfrei zum sinnieren
ebenda der kopf
leiblich geerdet ist

auf genau 152 pfund
so ich mit der hantel
auf der waage stehe





im ab- wie zutreiben
die Müllerstrasse rauf
und als müssiggänger
retourniert runter

auf hartem pflaster
mang dönerdeutsch
oder gar nix deutsch

stunden ratzen
einen diffusen tag
daraus machen

weit am himmel
ein loch suchen
als mitdurft





als endlosschleife
katastrophen-news
und paradiesisch
die werbung dazu

schriller reflektiert
mithin keiner weiss
was objektiv gemeint
noch tatsächlich ist

den medien gibt sinn
was sinn nimmt
permanent innovativ
akutes vermeinen

solange sich toppen
das poppen lässt
implodieren sätze
appellativ





ob im s-bahnzug
oder daheim entspannt
ganz ohne anzug

man kann kühn
und schrecklich sein
ein bisschen privates
intim preisgeben

überwacht rundum
mit avatar im stream
online analysiert

jeder mag es
schätzt pralle
lippenbekenntnisse

overloaded
das leben ist
kein geheimnis





die abseitsfalle
larmoyanz an einem tag
der ohne abseits ist

von null bis null uhr
nicht in irgendeiner kneipe
in der Roten Rose lässt
zeit sich ausharren

eingepegelt aufs gültige
mit wem immergleichen
bedürftigen parlieren

lebenspläne erwägen
und zur verfeinerung
mit promille aufladen

obgleich man hic
et nunc auf die zukunft
zu viel einfluss hat


***




ein werdegang
ohne je anzufangen
im steten anfangen

als ein spätstarter
unbilanzierbar ist man
bar einer fan-kurve

zu hermetisch jenen
die nicht mehr folgen
können oder wollen

in schattensprüngen
andeutungsdeutlich
ein verschweigen

quasi so als ob
der hans im glück
ein froschkönig sei





wenn stadtansichten
als momentaufnahme
glänzend überzeugen

wenn jetlag-besucher
rastlos im wege stehen
sich vor highlights shooten

wenn wohnungen luxus sind
zweit- und drittapartments
die unbehaust bleiben

wenn bestimmtheitsgaben
angepriesene brachen
mit rekordgewinn ordern

wenn wer mehr sehen möchte
als vertraute stadtansichten
und nur diese sehen will





ein irres rauschen
das wieder autolärm
oder die blutzirkulation ist

wer nichts zu sagen hat
muss es wortarm sagen
als beredtes schweigen

den kieselstein im schuh
urban tragen als ob sein
humpeln eine lösung wär

ob mit scham oder ohne
man kann sein leben
unentwegt umschreiben

jeder hat ein leben
lang zeit dazu





gestern schwarzgrün
heute mehr blau
im planquadrat

wegen dem lichtsmog
sieht man weniger
sterne am himmel

mehr glänzende stars
mit grellem techno
als hipste schwärmer

an tagen ohne
eigene ablenkung
ohne ausweg




bigger the smaller
wenn härter das
auskommen wird

auch deutlich wird
dass ohne lebenslist
nichts deutlich wird

mit einem vorbereiteten
gesicht kann man gut
vor gesichtern bestehen

vor taillierten frauen
die posend verfügbar
strassen markieren

in der mitte von Berlin
mit lust ein mehr
an frust gestehen

mit lebenslist
als lebenslust




die niesende nase
im cannabis-club
mit erfundenen berichten
einer inneren fremde

was vom innigsten
vor spiegelnden mündern
nach aussen palavert
verdichtet monologe

als bruttogewissheit
das bedürfnis nach meinung
um bereits gesagtes
mit sich zu decken

und zu meinem glück
meist unleserlich
ja unlesbar




regen verdünnt
asphaltierten hundekot
hühneraugen verhindern
peripatetisches denken

alles ist gut & günstig
als anhaltende werbung
unbedarft übersteigert
wie überzählige stellenanzeigen
die nie vergeben werden

wenig ist zu erwarten
im toppen der echtzeit
zufallend einem ich
das freigesetzt lebt

wie die lottozahlen
ohne eine gewähr
als bescheidenheit
oder grössenwahn





ohne zweit- und
drittmenschen
in der letzten s-bahn

entlang ausgelöschter
häuserreihen ins mehre
umnachteter visionen

man braucht seinen input
kein anderes mietwohnen
wo zellen redundant sind

in träumen wird gerungen
nahschweifig um realitäten

um vage deutlichkeit
um geographie





schwule nacht
die augen labyrinthisch
nach innen gerichtet

licht wirbelt staub auf
vor dem fernseher regressiv
dechiffriert sich genuss

dazu idealerotisch
mit g-punktierungen
ein permanentes stöhnen

wenn sie sich umhalsen
in filmen und man sieht
sie bewegen sich bloss

an späten abenden
die nicht aufhören
die einfach enden


***




weiter wird geträumt
wenn morgens die sonne
durch vorhänge flimmert

nebbich gefrühstückt
an arbeitstagen ohne ziel
ohne sollizitierende termine

in halbschlafbildern
nahverkehrlich beschaut
der mobilisierte schwarm

im akt eigenen abfalls
körperliches reduziert
auf erratische tänze

der bühnen unverblümt
die es in grossen städten
mehr als erzählbares gibt





den kranken tauben
vor dem Hallischen Tor
eindeutigkeiten erfinden
die kakophonisch sind

frei in der syntax
wie die penner vor Poco
vor sich hinpalavern
um therapien zu sparen

für eigene geschichten
welche defizitär bleiben
als introvertierte leeren
unbeschreibbar sind

erst daheim später
beim zählen der biere
als literarische informatik
sich kalkuliert was im dass





weltverbesserungsfaul
ein korsett schnüren
auf minimal bündeln
was man so denkt

sich in eine wohnung
verwandeln und nicht
mehr herausfinden
aus dem verweilen

ganz waagerecht ernst
mit phantomschmerzen
falls der kaffee fehlt
zum ersten tabak

türkisch = tückisch
biene erhalte dir
deinen stachel

so deine
als ob garantie





im losigen streben
dreck bestellen und
sich zustellen lassen
als distanzgewinn

rabatt gibts mehro
im extrablatt 50 %
für eine kurze zeit
auf alles nochmal

dato, dito, toto
das soziale fühlen
ein saldo ist keine
vollendete tatsache

was zählt ist
bei der pin-eingabe
nicht das ergebnis
sondern der zähler




das abschneiden
der linken das verbiegen
der rechten hand

zum selbstabgleich
in zu kleinen spiegeln
ein amputiertes strecken

less aesthtic is more
ethic ist besser
als alles oder nichts

zu viele falten
zu viele muskeln halten
einen körper zusammen

ist man kein zombie
gibts zu jedem gegenzug
noch einen vorderzug





die blätter fallen
schneller und höher
im böigen herbstwind

allein der drache
will vom Tempelhofer
Feld nicht abheben

trotz sprint weder
rückwärts noch
vorwärts aufsteigen

an einem tag
ohne metaphysik
und beschwerde




zwischen zehn und
fünf etliches gleichzeitig
erledigen ohne es
multitasking zu nennen

der täglichen bürosonne
als termite zuarbeiten
anwesentlich passend
einem schraubstock

hätte der tag nur
zwölf stunden wäre
erwartungserwartend
weniger zu mehren

der mensch ist eine
turingmaschine und
kein zahmes tier




die schritte von oben
in der wohnung sind
das dreiste trampeln
auf meinem schädel

hört der nachbar
sein techno dazu
beginnt jähzornig man
hilflos auszusehen
älter zu erscheinen

irgendwann ermattet
wenn der bass-sound
bei einsetzender taubheit
wieder ausgeschaltet wird

und hirnbecherleer
mit der einsicht dass
man doch ein derwisch
hätte sein können




aufschreibe und
abschreibezwänge
der tag will artikuliert sein

grosse wolken als prosa
kleine versucht lyrisch
zum freien mitsingen

was nicht erlebt wurde
ist aus der luft gegriffen
eine pure einbildung

korrumpiert das du
auf sozialen plattformen
im kampf um reichweiten

bei intimer exklusion
mang eloquenter stimmen
auf mitklang getrimmt




die zeisige im hinterhof
deuten als suchendes
zwitschern um bedeutung

eine obligate kunde
vor der abendlichen
noch nicht ruhezeit

ist etwas mitteilsam
weiss es bedeutung
wird darin deutlich

bei bildungsangeboten
mit öffnungszeiten
rund um die uhr

doch dass alte penner
wie propheten aussehen
gibt dito zu bedenken




es wogt laue luft
dem späten abend
mit sternhypothesen

ohne ironie erscheint
seligkeit lächerlich
kosmisch unscheinbar

grossartiges ist nur
in der ferne zu haben
in einem aufschieben

durch fortschritte
in der abgewöhnung
von wünschen und
zu frühen orgasmen

kann der schwanz
noch lachen?

versuchs doch mal!





ein sonntag mit tatort
alternativ dem sattsam
bekannten hinterhof
mit müllcontainerblick

ohne ausgang ist das
wochenende eine drehtür
eine zeit die routiniert
kurzschliesst lange weil

auf separat konditioniert
wird jeder bekannter
medial ein verwandter
in homogenen kanälen

beim zeit totschlagen
schaut die lange weil
zu vertraute tragödien
zu knallharte komödien






ich dreie die vier
aufschäumend um
ein weiteres bier zu trinken

um schritt zu halten
mit generischen genitiven
und rechtschreibreformen

man muss zerstreuen
sich zerstreuen und
die entropie verstehen

in freien assoziationen
den abend benedeien
voll mond-hypothesen

dass beim dazwischen wissen
sich der kopf im kopf dreht
ist nicht zu vermeiden

während das geld kriselt
weltweit schneller
die erde rotiert


***




privat und indiskret
wie im amateurfilm
die müden blicke
vorm arbeitsbeginn
im s-bahnverkehren

zwischen Ost- und
Westkreuz nebenköpfe
die leere schweigen
eingezwängt einander
synchron distanziert

beschränkt auf stetes
um- oder einsteigen
mobilisierte haltungen
ohne eine erwartung
in vehemenzexistenz

beim warten und gleich
gültig sein immerfort
ein separates sehnen
ins irgendwohin





könnte man in der früh
die welt verbessern
dann hätte man es
schneller hinter sich

könnte man montags
dem blues sagen
was erwartungsvoll
wochendlich fröhnt

könnte man einmal
zugeben: einfälle
kommen ohne behuf
unverhofft oder nie

denn selten fällt
das denken leicht
nur beim ausreden
geht es auch ohne




gegen vieles sein
beim job-coaching
und trotz alledem
auch dazu gehören

mit solitärer brenn-
ist jede kragenweite
eine soziale teilhabe
ausharrendes warten

die vita fingiert
passend jeder bewerbung
damit die fakten
aktuell fakten bleiben

eine affirmativ
sich doppelte
buchführung

während zinsen sinken
und credits steigen





schnee auf der stirn
pochende auffrischung
in achtelnden tönen

gesetzte schritte
gehen nach und nach
verloren als träume
bar einer erinnerung

phantasie ist kostbar
eine indiskrete gabe
zum selbstverführen
und hand anlegen

dem weilen trott
nicht aufschiebbar wie
die libido am abend
umtriebig ausser haus

oder am morgen
wenn es besser wäre
nicht hochstapeltief
allein zu frühstücken





direkte töne
im radio getaktet
dem sonnenaufgang

aktuelles vermelden
ist immerdar neues
zur vollen stunde

wichtig ist wenig
es sei denn nicht
ausdrücklich klar

wie der kaffeesatz
mit verfallsdatum und
speichelverschluckungen





das wohnen wie
arbeiten verdichtet
sich perfektioniert

als ein höhenflug
allweil freigesetzter
in einem räderrad

steigen die mieten
mediatisieren sich
körper unbehaust

ein bio-adapter
generiert jedem
cosinus sein aussen

in terabyte-clouds
sieht sich die zukunft
holografisch virtuell





stell dir vor
du bist überdreht
und keiner bemerkt es

immens angeknackst
unter freiem himmel
was für ein beben

mit einem kopfstand
beim raven im Görli
wo kein stand mehr ist

unerklärlich bleibt
warum selbst verrückte
langweiliger werden

destruktion & death
wofür soll man sich
noch begeistern?

für implosionen -
oder für explosionen?





sehr verdächtig grau
der himmel draussen
das abwarten drinnen
ohne lust und frust

mit mass meine wohnung
die ich mir anziehen kann
weder zu geräumig
noch beengt lebend

an einem novembertag
meiniges einpassend
break even pointiert
als regressive emphase

wie langeweile beschreiben
direkt oder indirekt - oder?
lieber nicht





in der nacht mehren sich
versprecher im fernsehen
für die lebensvortäuschung
werden neueste katastrophen
das risiko einer restlatenz

divers im globalen rausch
blinken nahe sterne
die als steile flugzeuge
genuin techno-stars sind

die nacht verteilt euphorie
in die man sich hineinfreuen
die man mit übertreibung
weiter verticken kann

gäbe es mich nicht
müsste ich kaum
mich ergründen
dauernd erfinden





ich lächle zu wenig
und habe es bisher
nicht weiter als bis
nach Berlin geschafft

in über zehn jahren
weder einen Wannsee
noch einen anderen
wahnsinn durchrudert

ohne wo und wann
meine reisephobie ist
reichweitennah mir
entwegte einsiedelei

ein anhin residieren
der eigene kiez bleibt
auf probe hausendes
derweil als ausflucht





sich scherze zufügen
um von anderen
scherzen abzulenken

beim rechtfertigen
oder verteidigen ohne
angegriffen zu sein

dieweil Wolgograd
sechs tage im jahr
umbenannt wieder
zu Stalingrad wird

unterlebensklein
an tagen mit viel
vor wie nachsicht

immer öfter Ja sagen
und dabei linkisch
die arme verschränken

der knoten im hals
bleibt der allzu
verständliche





wie überzeugend
schnappatmen ist
pure übereinkunft

auch sozialbetrug
falls entbehrlich wer
ein dasein erschleicht

da hauptberuflich
noch immer ohne beruf
schickt das amt die formulare

mindestens zehn hoch
zehn zumutungen dazwischen
eine appellative leere

in die renitent
sich eine hybris
hineinschreiben kann

an stichtagen
die sanft würgen





so reibungsbloss
auf der richterskala
ein nobles brüten
über das brüten

an unzähligen tagen
ohne faules fernsehen
und auch heute

etwa 500 wörter gelesen
geschrieben aber
weniger als 30

kann man den kopf
über das knie brechen?

man kann was
man kann





das verborgene
überleben mang
büchern und bildern

du willst gesucht sein
um besser bedeckt
im eigenen schatten
dich offen zu halten

aus der einzelhaft
kassiber life postend
die flatrate überziehen
für ein frührer oder später

die regeln der aleatorik
generieren eine vielfalt
an vermeinungen als
ein ballspiel





mit einem leeren kopf
unter bäumen harrend

in einem sommerloch
ohne deutungshoheit

derweil offene fenster
liebeshörig schweigen

nach dem serienfilm
umtriebig stöhnen

lebensjahre mutieren
zu ruhelosen hundejahren

nicht müde diese nacht
sie muss mir gehören


© frank richter 2010-2014