akute zeiten


eine spurensuche als petitio principii

ein eiternd grünblauer nachmittagshimmel im fensterkreuz
und eine hyperaktive sommerfliege davor. ich kann sie erst vertreiben, wenn sie zur ruhe kommt.

 
wie an einem verregneten sonntag die zeit totgeschlagen wird.
der sohn spielt mit seinen lego-steinen und ich konjugiere lego, legis, legit, legimus, legitis, legunt... vielleicht wird er es auch einmal lernen müssen.

 
bereits über zweitausend bücher in der eigenen bibliothek.
viele doppelt gelesen, wenige nicht und ansonsten etliche andere gedruckte seiten. nur um weniger selbst erleben zu müssen?

 
der lidschlag der augen als ausgleichendes selbstgespräch.
man trifft keine freunde mehr, man hat zuhauf kontaktdaten, follower und signifikante bestätigungen.

 
statement einer fernsehprominenten: vor dem suizid hat mich allein der spiegel bewahrt.

 
die stars im grellen show-business lassen sich zu keinen sternbildern mehr imaginieren. es fehlt ihnen der kosmos als firmamentum.

 
in Russland ehrt man wieder Helden der Arbeit. der präsident verteilt wie einst väterchen Stalin an sie orden und will erneut für die wirtschaft den fünfjahresplan einführen.

 
nichts geht verloren, es wiederholt sich das wiederholbare. das innovative an der wiederholung ist dabei, dass sie historisch fortwährend eine andere, neu zu interpretierende wird.

 
die arbeitslosenquote in westeurope sinkt kontinuierlich. es haben also stetig weniger leute zeit, in ruhe bücher zu lesen.

 
bereits zum zweitenmal heute in der u-bahn ein verwahrloster mitmensch, der bettelt, so als wollte er schulden eintreiben.

 
die zahl der luxussanierten eigentumswohnung von jetleg-besitzern steigt in Berlin wie auch die zahl der obdachlosen.

 
dass es vermehrt gescheiterte existenzen gibt, liegt wohl
daran, dass es kaum richtig erfolgreiche gibt. et vice versa.

 
immer öfter jene aussergewöhnliche realitäts-erfahrung: es erscheint meist das als wirklich, was nicht in ordnung ist, was nicht erwartungsgemäss funktioniert.

 
die zeitungen warnen vor zunehmenden burnout-syndromen. es gilt das sommerloch zu füllen.

 
als sei schweigen gar nicht mehr möglich, gar nicht mehr lebbar. nicht einmal als spiegelbildliches konterfei auf dem bildschirm des abgeschalteten notebooks.

 
der graue abendhimmel voller tinnituswolken und darunter zahlreiche hütchenspieler mit gierigen verlierern.

 
regungslos dasitzen und das denken exzessiv im kopf bedenken, so lange bis einem warm wird in einer zugigen bushaltestelle.