akute zeiten


eine spurensuche als petitio principii

dauerregen von früh bis spät.
eine heute unbenutzte draussen-welt.

 
ein politischer aktivismus hat das goldene firmenlogo von Bahlsen entwendet. er verspricht es erst zurückgeben, wenn 52.000 keks-packungen an soziale einrichtungen gespendet werden.

 
wenn man langeweile hat oder krank ist, liest man zeitungen von der ersten bis zur letzten seite. vielleicht wird hier nur für kranke oder sich langweilende wichtiges vermeldet.

 
die menschen werden nicht klüger, sondern grösser (in europa ist der durchschnitt in den letzten 100 jahren um elf zentimeter gewachsen).

 
überall nimmt die vermeldete gewalt zu, doch die statistiken belegen anderes. im 14. jahrhundert wurden weltweit 80mal mehr menschen ermordet als in unserer zeit.

 
russisches geschichtsverständnis: Wolgograd soll sechs tage im jahr wieder offiziell Stalingrad heissen.

 
die bekannten blutdurchtränkten schlachtfelder militärischer massaker: Verdun, Waterloo, Frankenhausen, Bosnien...
heute wuchert hier die vegetation so üppig wie nie.

 
die welt hat nun zwei Päpste, einen alten amtierenden und einen schwerkranken emeritierten.
sie vertragen sich bestens auf pressefotos.

 
alle uhren in der wohnung auf sommerzeit vorgestellt, während die heizrohre rauschen und vor dem fenster schneeflocken tanzen.

 
skepsis gegenüber jeder sinnstiftung, die zum zynismus führt.
höhere geister haben heute befohlen, mal nicht zu arbeiten.

 
auch die lokführer streiken mit ihrer exklusiv-gewerkschaft erneut für höhere löhne. aber nur für sich und nicht für das arg schlecht bezahlte begleit- und reinigungspersonal.

 
vor dem haus als arkadische abschweifung blühende linden. man muss mit allen sinnen seine vorurteile pflegen. sie werden irgendwann ausbleiben, und das kann bange machen.

 
kein tag ohne überfluss, ohne mangel. man erträgt bestehende katastrophen am besten, indem man sich noch schrecklichere erfindet.

 
gegen fast alles werden petitionen unterzeichnet. selbst gegen petitionen an sich liegt jetzt eine petition vor.

 
man kann ja frank und frei ohne zensur alles behaupten. aber selten nutzt es jemand richtig aus. nicht einmal in der kunst.

 
moderner anarchismus: auf einer demo mehr verweigern als befürworten. im warteraum eines amtes die ausnahme von der regel sein. als querulant daheim redundant bleiben.

 
wenn es menschen gut geht, kommunizieren sie banales. im utopischen schlaraffenland dann wohl allerbanalstes.

 
und wird bloss noch gelesen, was man in zwei, drei kurzen sätzen sagen kann, dann muss man wie hier manifestes in zwei, drei kurzen sätzen aufschreiben.

 
neugierig sein ohne wirklich etwas wissen zu wollen. die frühe müdigkeit an verregneten januartagen ist zu ertragen.