nullsummenspiele


logbuch eines kunstschaffenden

wieder viel zu viele stände in den messehallen am Funkturm.
ich werde also einen ganzen nachmittag damit verbringen, beim Berliner "art-forum" etliche bilder zu übersehen.
 

wenn mal all diejenigen sich nicht ausstellen würden, die es einzig aus ehrgeiz oder wegen eines attestierten talentes tun, wäre der kunstbetrieb ein angenehm überschaubares geschäft.
 

spruch aus dem internet für vice-versa-interpreten: kunst ist
die unzurechnungsfähigkeit der zurechnungsfähigen.
 

der künstler benötigt ein kleines wunder, um erfolgreich, d.h. populär zu sein. er muss mit einer spektakulären illusion wie seinerzeit der messias in Genezareth tausende abzuspeisen.
 

"manchmal glaube ich sagen zu dürfen: der irrsinn packt mich mit starker faust, aber dann zeigt sich nachher oft, dass ich nur hätte sagen können: der irrsinn hat mich mit einem kleinen finger im ohr gekitzelt."
Dieter Roth
 

in jeder strandbar und auch in den nichtstrandenden zelebriert man die allerneuesten cocktails. die rezepturen werden immer geheimnisvoller und übertreffen sich stets.
ein tag ohne übertreibungen, was wäre das für ein tag?
 

dieser wahlzwang: jedes jahr wieder eine miss germany, eine miss america und sogar eine miss world. sie wollen nicht nur bewundert, sondern von allen auch begehrt werden, bleiben aber erfolglos bei dem garantiert schwulen mister world.
 

bald ist vom vater staat mehr kindergeld zu erwarten, und für die gutverdienenden sogar sehr viel mehr. erblickt man eine schwangere frau, stellt sich daher nun die frage, hat sie's nur für's geld getan?
 

die verluderte lust, und die verleidete lust. vom zungenkuss zum cunnilingus ist es nur ein kleiner schritt. doch wie sie sich in manchen filmen umarmen, wie sie ficken und man sieht, sie bewegen sich bloss.
 

wegen immer mehr wortwanzen, meinungs-kondomen und mehrwegsätzen die bange frage, hört mir überhaupt jemand zu. immer die frage nach einem echo in einem wald, in dem vor lauter bäumen nichts mehr herausschallt.
 

ständig eine nötige korrektur. was mich gestern noch furios begeisterte, ist mir heute peinlich. und je mehr schnitzer ich
in alten arbeiten finde, desto mehr übersehe ich auch.
 

manches oder vielleicht fast alles, was man in späten jahren vorweisen kann, wird einfacher und kleiner. aber damit auch weniger.
 

pausen über pausen. und dazwischen ein lamentieren über die pausen.
wenn der weisse fleck im auge mal fehlt, ergo alles deutlich zu sehen ist und kein platz mehr für die imagination bleibt. ja, was dann?
 

so lange auf die deckentapete starren, bis sie verschwindet.
es gibt tage, an denen man weder schreiben noch lesen will. und reden auch nicht.
 

erneut ein jahr älter geworden und es wird wieder deutlich: geburtstage ohne party sind wie geburtstage mit party eine katastrophe.
 

das gefühl der langeweile hält die gewissheit aufrecht, dass etwas aufregend anderes noch übrigbleibt und irgendwann passieren könnte.
 

zu vieles lesen und hören müssen. und manches zu oft.
die ausufernde krankheit seine phantasie mit anderen teilen zu wollen. sobald man sich mitzuteilen beginnt, begeht man eine indiskretion nach der anderen.
 

permanent dasselbe brüten über die ewig gleiche gedanken.
wer sich im kreis bewegt, erspart sich aber immerhin den rückweg.
 

dass mir bloss das sofort gelingt, was mir sofort gelingt.
alle meine nicht gemalten bilder und nicht realisierten projekte sind das passepartout eines allzu minimalistischen portfolios.
 

wenn man sich mal richtig gehen lassen kann, kommt man entweder zu genialen oder banalen erkenntnissen.
 

wer andauernd warten muss, schläft länger. erst zehn, zwölf, dann vierzehn stunden täglich und später noch zwischendurch ein bisschen.
 

könnte man doch stolz sein auf das, was man nicht vollbracht hat, was man nie vollbringen wird. es ist das, was bleiben wird und zu einer immerwährenden beschäftigung antreibt.
 

die vielen prominenten doppelgänger, die mit meinem aller-weltsnamen in der welt ihr unwesen treiben. wenn ich sie alle einmal auf mich vereinen könnte.
 

tiefer nebel, permanenter nieselregen. und ein reizhusten, ist ein reizhusten, ist ein reizhusten...
 

werden eindrücke, die man in bildern imaginierend festhält, zu einer unumstösslichen tatsache?
die frage lässt sich nicht so eindeutig beantworten. einerseits spielt einem die einbildungskraft immer einen streich, und andererseits ist sie vielleicht die einzige wirklichkeit, die jedem zugänglich ist.
 

jede ausstellung ist ein friedhof, jedes kunstmuseum ein mausoleum und jede auktion ein krematorium, insofern vermehrt milliardäre mit bildern spekulieren und darüber bestimmen, was eine bedeutung bekommt.
 

die harmlosigkeit von zu gut präsentierten bildern als schuld-eingeständnis. von der kunst bleibt zu lernen, dass zu wenig von ihr zu lernen ist. so machen ausstellungen manchmal klug.
 

"in vino veritas - das entschuldigt den wein und die wahrheit." Oswald Wiener
 

zwang der wahrscheinlichkeit: wenn man lange genug die wörter eines satzes untereinander vertauscht, erhält man irgendwann wieder den ursprünglichen oder irgendeinen ähnlichen satz.