nullsummenspiele
logbuch eines kunstschaffenden
heute keine wolkenschau, da es ununterbrochen regnet. meine wohnung ist belles tristes mein bleiben in ihr.
in gesprächen mit mir selbst bin ich mir stets überlegen. ich kann wie der schreiber Bartleby von etwas überzeugt sein und es gleichzeitig ablehnen. doch ausserhalb solcher monologe ist jene freiheit nicht aufrecht zu halten.
satz aus dem fernseher: wer keinen vogel hat, hat ein leeres nest im kopf.
handgemalte genrebilder steigen wieder im kurs, während
die genres ständig wechseln.
kunstmessen sind aktienpakete, deren werte ausgetauscht, vertauscht oder bloss vorgetäuscht werden.
was teuer ist, muss gut sein. und so ist manche gut verkaufte kunst immerhin ein placebo.
art can see you and big art is watching you.
sage, was dir gefällt, und man wird wissen, wer du bist.
vom verdruss angestäubt. von woher kommen im oktober die dunklen wolken?
man muss den drachen gegen den wind steigen lassen. schon Goethe hat irgendwo aufgeschrieben, dass nichts leidlicher sei als eine schlechte laune.
kann es die idee von einem glücklichen leben ohne einen Hiob geben? und eine hoffnung auf eine lebenswerte zukunft, wenn menschen bereits am morgen von profanen miet-erhöhungen überrascht werden?
"Fiend field of action for impotence - call DRAW"
Dieter Roth
interessante künstler sind selbstgerecht, eitel, intolerantorlaut, besserwisserisch, vorlaut, schnell verletzbar... und ihre freunde sind treue freunde. es ist erstaunlich, was sie aushalten.
demütigend ist die vorstellung, wonach das beste in der kunst auf intuition, also auf einer genialen eingebung beruhe. mit einer durchschnittsbegabung berufe man sich lieber auf das zufällige und auf eine sporadische ordnungsliebe, welche dem zufall einen inspirierenden rahmen gibt.
das wichtigste sind erwartungen. hat man sie nicht, muss man welche erfinden. wie in der werbung.
ich brauche zum arbeiten ein inspirierendes sprungbrett. zahlreiche ausstellungen sind weiterhin zu besuchen, um feststellen zu können, dass nicht vieles, aber doch einiges an innovationen noch fehlt.
was ein sich langweilender poet an einem völlig verregneten sonntag mit einem lichtschalter alles anstellen kann. er kann ihn immer wieder drücken. solange bis er oder die lampe aufgibt, damit es nicht mehr nervt.
wie man von seinen alltäglichen mitmenschen überholt wird, ohne eingeholt zu werden. man wird zunehmend ignoriert oder nicht mehr wahrgenommen.
wenn es nicht die illusion gäbe, ein anderes leben führen zu können, wäre es kaum zu ertragen.
man ist zum glück und sub specie temporis zur verwandlung fähig. doch wie schnell man immer wieder in sich hineinfällt...
"hinaufkommen muss man, sich durchsetzen muss man, ein theater haben muss man, seine eigenen stücke aufführen muss mann, dann wird man weitersehen."
Brecht
es ist ein grosses problem, dass der mensch nicht richtig zaubern kann. seitdem keine hexen mehr verbrannt werden, glaubt kaum noch jemand an wunder.
wer lange genug wartet, wartet irgendwann auf irgendetwas bestimmtes.
meine heimlichen wünsche, über die ich weder schweigen noch sprechen kann.
es braucht viele gewohnheiten, um sich im ungewohnten zu bewegen. aber gewohnheiten bedeuten auch das ende der freude auf ein neues. man wird von der behaglichkeit auf eine bequemlichkeit festgelegt. bald ist es soweit, dass der wechsel von mondphasen angestaunt wird.
nein, niemals.
wie gross ist die angst vor gescheiterten existenzen. fast jeder reagiert sofort mit mitleid. der schnorrer bekommt deshalb kleingeld, der politiker wählerstimmen und ein junger künstler manchmal ein stipendium.
deutschland sucht seinen superstar. seit monaten in einer sendung mit wachsender einschaltquote, weil man sich gern über peinliche epigonen und naive hochstapler lustig macht.
es ist der sprosser und nicht die nachtigall, der jeden sommer liebende gemüter anrührt.
wir kaum ornithologisch bewanderten kennen bloss amsel, drossel, fink und star, aber nicht die ganze vogelschar.
anamnese: rückblicke auf die kindheit, als braune strümpfe noch wärmer waren als kurze.
manchmal habe ich erst um mitternacht einen einfall. heute aber nicht.
man muss vorsichtig mit dem denken sein, wenn man alles aufschreiben kann.
"wer nicht böse sein kann - kann der wirklich tief sein?"
Christian Morgenstern
mein ururururururururururur...urgrossvater war Kain und nicht Abel. an vermaledeitem tagen verabrede ich mich lieber auswärts mit mir selbst.
das staubaufkommen in allen ecken, diese anhäufung von müll und unlust als mein oikos, der in immer kleineren abständen zu einer nötigung anwächst.
im radio vermehrt mainstream-musik à la der beste mix of. und im kulturradio, der letzten bastion des bildungsbürgers, jetzt wegen der quote nur noch kurze sätze vom klassik-repertoire. so weit ist es mit der ehrfurcht vor der kunst gekommen. muss ich unverhofft meine wohnung verlassen, brauche ich also kein schlechtes gewissen haben, falls ich schon nach einer Wagner- ouvertüre ausschalte.
vergriffe des jahres: notglücklich, harmwut, erfolgsverdünnung, präzisionsvage, lebensabstriche, ausgangsleer, still-schreitend, nano-stop, umstandsweisheit.
endlich wieder mal einen satz geschrieben, der bestehen kann. einen satz, der einen satz aus einem satz macht.
aber die energie, die man jederzeit und für alljeden aufwendet, um verständlich zu sein; sie steht in keinem verhältnis zu all jenen missverständnissen, die sich dennoch ergeben.