kälteverlust


ein anhaltendes selbstgespräch
pfefferkuchen, spekulatius und dominosteine können bereits im september en masse gekauft werden. weihnachtsbäume und adventssterne aber noch nicht.

 
meine neigung zu übervollen stimmen am abend. entweder Maria Callas oder Joan Baez.

 
nachts, wenn viele schlafen, ist die gespielte musik im radio erträglicher.

 
schon wieder drei statt zwei bier ausgetrunken, ohne einen bemerkenswerten ein- oder ausfall notiert zu haben.
wohin soll das führen?

 
am sternenfirmament eine lichtjahre währende zerstreuung das absoluten weltgeistes.

 
vielleicht ist man ein versager, insofern man sich nicht dazu bekennen will, ein versager zu sein.

 
diese unzähligen münder, wenn in kommunikativen röhren immer dasselbe gesagt wird.
und je mehr aufgeschrieben, desto unverständlicher dann.

 
mir zum 46. gratuliert. meine mutter könnte heute so wie sie war, als sie mich gebar, meine tochter sein. und auf vielfachen wunsch höre ich noch immer auf den namen, den sie mir einst gab.

 
ein zweites leben führen, das sich von dem bisher gelebten und noch zu lebenden in zahlreichen details unterscheidet, als eine konsequente selbstverleugnung.

 
der graue himmel mitten im völlig verregneten september als bestimmtheitsgabe.

 
früher oder später wird sich einmal herausstellen, dass sogar das wetter von den international agierenden geheimdiensten gesteuert wird. alle naturkatastrophen bekommen dann eine verschwörungstheorie.

 
je älter und desillusionierter ich werde, desto mehr misstraue ich tagebuch-monologen. es gibt nichts offensichtlicheres als die dokumentierte selbst-inszenierung.

 
in zeiten der sprachnot und schreibhemmungen meine flucht zu C. M. Wieland, zum avantgardisten avant la lettre.

 
an diesem sonnigen wochenende belagern meine wiese am Nordufer so viele touristen wie sonst nie. sie stehen da wie landvermesser.

 
die zeitung von der sonne noch ungebräunt. so als ob nichts tatsächliches, nichts gefährliches geschehen könne.

 
in urbanen strassencafés werden die spatzen zu aufdringlichen schnorrern. sie haben keine scheu vor den menschen. statt auf futtersuche zu gehen, erbetteln sie sich essbares, so als würden sie schulden eintreiben.

 
überall schmutz und treibhausgase als eine transnationale verundeutlichung.

 
wild bedrohliche biotope wie den regenwald im Amazonas gibt es irgendwann nur noch im dokumentarfilm oder als computer- simulation.

 
die zukunft der menschlichen zivilisation wird weniger von technischen fortschritten als von wetterberichten abhängen.

 
letzte laubbeseitung: es ist nicht mehr der rauschende besen, der für ordnung sorgt, sondern das PS-starke motorgebläse einer kehrmaschine. morgens ab halb neun.

 
im hinterhof allein ein grünfink auf einer blattlosen birke, er erscheint da ziemlich gross.

 
was mir gestern nicht eingefallen ist, fällt mir heute auch nicht ein.
es gibt für zu vieles keine lösung.

 
den tiefsinnigen blick an einem faulen tag so lange halten, bis keine andere vorstellung mehr möglich ist.

 
vermehrt leberflecken und warzen auf dem rücken.
vielleicht weil er nicht mehr zu mir gehört.

 
meine krankenkasse will up to date keine kranken-, sondern eine gesundheitskasse sein. sie lädt mich obligat zu einer vorsorgeuntersuchung ein.

 
Euripides: wer weiss wohl, ob das leben nicht der tod ist, der tod aber das leben?
jeder mensch weiss, dass er nicht alles weiss und wissen will.