überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

perfekt läuft selten etwas, aber es muss ja. an seinem Fahrrad zum Beispiel ist stets etwas defekt und wird bei den obligatorischen Touren durch die Stadt ignoriert. Polizisten verdonnerten ihn bisher zu einigen Strafgeldern, weil er auf abendlichen Strassen vorn ohne Licht fuhr. obwohl alles durch Bogenlampen in der Stadt ausreichend beleuchtet wird, muss eine Funzel die Sicht erleuchten. hinten sieht man es ein und es ist bei ihm, nicht wie offiziell vorgeschrieben, das schlichte Rot, sondern ein stakkato-mässig blinkendes.
einmal sollte er mit einem Rad, einem verwegen zusammengebastelten, zu einer Kfz-Zulassungsstelle, um es nach einer Aufrüstung verkehrstechnisch vorzustellen. er hat sich den Besuch verkniffen, wollte damit nicht den autoversierten Prüfern unter die Augen treten. sie hätten es für einen schlechten Witz gehalten, weitere Mängel festgestellt und ihn erneut sollizitiert. seine Fahrräder waren stets mangelhaft und so wird es wohl blieben. er ist froh, wenn er keinen Platten, keine eingetretenen Speichen hat. ohne Helm und energetischen Schutzschirm wagt er sich Tag für Tag als potentieller Organspender in ein motorisiertes Getümmel, immer besonnen vorausschauend, um nicht unter PS-starke Räder zu kommen.
bei seiner Arbeit ist dies anders. hier riskiert er Zusammen- und Abstürze, denn was missglückt, ist interessanter als das routiniert Gelungene. es sind wie in der Natur Fehler nicht nur nicht vermeidbar, sie sind ein evolutionäres Erfordernis dafür, dass Weiterführendes entsteht. funktioniert etwas nicht richtig, zeigt es erst, wie es tatsächlich funktioniert. bei Sondersendungen, die im Fernsehen ohne die übliche Vorbereitung zustande kommen, wird es besonders deutlich. der ansonsten eloquente Sprecher hat plötzlich nichts zu sagen, weil der Teleprompter streikt, oder er verhaspelt sich radebrechend, falls ein live zugeschalteter Korrespondent offline bleibt. menschliches Versagen kann zu eigenartigen Abweichungen führen. wo es gefährlich wird, sollte es mit Vorschriften und Bedacht unterbunden bleiben. manches nächtliche Phantasieren bremst er deshalb am Morgen aus, auf dass sich nicht der Tag in einer solipsistischen Obsession auflöst.
störende Unstimmigkeiten erhellen auf überraschende Weise, wie eindimensional technologische Apparate optimiert sind. in der Kunst arbeitet er gern mit Hacks und gefakten Programmierungen. seine Software passt dem Computer nicht immer und trotzt ihm dann ungewöhnliche Ergebnisse ab. nur mit jedem Update wird es schwieriger, Lücken für eigenwillige Experimente zu finden. politische Aktivisten hoffen ebenso auf gravierende Mängel im sozialen Gefüge, die vielleicht einen politischen Umbruch auslösen. das politische System ist allerdings lernfähiger geworden und gleicht Verwerfungen stetig aus, so dass jedesmal die erhoffte Revolution entfällt. es ist ein ewiges Katz- und Mausspiel, derweil jeder Fehler früher oder später systemkonform ausbalanciert wird.