überflieger in spe


(eine versuchte selbstheit)

er arbeitet zu viel und sogar am Wochenende wie eine Maschine, so dass er in diesem Jahr noch zu keinem Winterschlaf kam. dabei ist er kein williges Arbeitstier, eher ein faules Wesen, das davon träumt, eine Armada von Robotern würde ihn von leidigen Arbeiten befreien. so hätte er Zeit für Hobbys und vor allem für mehr Besinnlichkeit. um dies zu erreichen, muss weiterhin malocht werden. als Angestellter wird man zwar weniger körperlich gefordert, dafür vor Bildschirmen intensiv ausgepowert. seit Jahrzehnten hält sich das Versprechen, dass mit mehr Anstrengung sich die Arbeitszeit verkürze und durch eine intelligente Vernetzung irgendwann auf ein Minimum einpegele.
in der Schule versprach man seiner Generation ein Leben frei von harter Mühsal. Roboter und Laufbänder sollten die Zukunft völlig automatisieren. für jenes Ziel hatte seine Generation fleissig zu lernen und später in einem Beruf ordentlich zu arbeiten. nur das wollte so mancher in einem zu erwartenden Hamsterrad nicht und lehnte das Rackern für einen zweifelhaften Wohlstand von morgen oder übermorgen rigoros ab. man war als eine kleine Minderheit radikal beim Karriereverweigern wie die sogenannte Generation Y später, die sich nicht für den Kapitalismus 4.0 anstrengen will und das eigene Wohlbefinden bereits in der Schule über alles stellt. bequem und abhängig von gutverdienenden Eltern mochte seine Generation hingegen nicht sein. sie zeichnete eine selbstlose Ablehnung aus. es wurden kleine Jobs im Kulturbetrieb oder auf Trödelmärkten gewählt, die einen minimalen Standard absicherten.
die Mehrheit der Menschen vermag ohne Arbeit ihre wachsende Freizeit nicht zu füllen. viele langweilen sich schon bei einem Halbtags-Job und besonders an verlängerten Wochenenden. es werden dann als Ausgleich heimelige Bilder gemalt und gereimte Gedichte geschrieben. Verlage haben sich darauf spezialisiert und publizieren sie von Schreibern, welche sich aus Langeweile kreativ beschäftigen. ebenso einige Galeristen, die epigonale Machwerke ausstellen und dafür Geld verlangen. der Mensch braucht die Arbeit und keinen esoterischen Buddhismus als Bestätigung. die ihn antreibende Maloche ist sein Fetisch und von der Politik wird nach wie vor als gesellschaftliche Teilhabe eine Vollbeschäftigung angestrebt. sollten wirklich demnächst intelligente Roboter die menschliche Arbeit eigenständig übernehmen, wird es nur noch Verwaltungsjobs und einige davon als Beschäftigungstherapie geben. die Demokratie wurde in Griechenland erfunden, damit die Bürger Zeit hatten, auf der Agora zu disputieren. Handwerker bekamen für solche Tage eine Entschädigung und haben damit regelmässig ihre Polis ruiniert. nunmehr hätte man die Maschinen und Computerprogramme dafür, lässt sich indes die Arbeit nicht wegnehmen, schuftet irrsinnig emsig und ist dankbar, einen Arbeitsplatz oder eine halbwegs tragfähige Marktnische gefunden zu haben.