überflieger in spe
wer sich den Hyperraum vorstellen kann, der kann sich fast alles vorstellen. an einer Technischen Uni versuchte er als Konzeptkünstler einmal couragiert, das Multidimensionale einem grossen Auditorium als Doping anzutragen. jenen Versuch kündigte ein Plakat an, wo sein Vortragen als das eines Unbescholtenen innerhalb einer Ringvorlesung aufgeführt wurde. sein Name war der einzige ohne Titel, die anderen Referenten hatten mindestens einen Doktor und davor den Professor. das verschüchterte ihn keineswegs, er wollte als Konzeptkünstler dem zu vermittelnden Stoff gemäss Aussergewöhnliches bieten. dafür musste viel Technik aufgebaut werden: ein 3-Röhren-Beamer, zwei klobige Büro-Computer und ein Overheadprojektor. mit jener Aufrüstung meinte er, eine ungewohnte Raumordnung veranschaulichen zu können. leider versagte der Beamer nach dem ersten Anschalten. die Glühbirne war durchgebrannt und kurzfristig nicht ersetzbar. somit blieb einzig ein Folienprojektor übrig, um das, was kaum vorstellbar ist, rein theoretisch zu erklären. das Hyperdimensionale offenbart sich aber am besten mit Animationen und wenig sinnfällig über abstrakte Analogien.
so es ohne mediale Projektion nicht zu bewerkstelligen schien, entschloss er sich, dem Pferd die Sporen zu geben. das Komplexe hatte komplex zu bleiben und das nicht Wahrnehmbare nicht wahrnehmbar. vor einem Publikum aus akademischen Beamten, angehenden Architekten und sonstiger Neugierde trug er sein Thema vor, indem er gnadenlos verwirrte. sein Erklären war spitzzüngig visionär, virtuell imaginär und relativierend chaotisch. das Vierdimensionale setzt immerhin einen Raum voraus, der sich mit seinen aufgefalteten Koordinatenachsen für die menschliche Orientierung unfassbar konstituiert. er argumentierte mit Kant gegen Hegel und relativierte im Science-Fiction-Vokabular endliche Gewissheiten, um kühn zu verkünden, dass es ohne mannigfaltige Dimensionalität bald nichts mehr zu verstehen gebe. denn so wie sich die Quantenphysik mit der Relativitätstheorie bislang erst in einem Multiversum widerspruchsfrei vebindet, sei ein epistemologisches Wuchern bald ausschliesslich mit einer Kausalität aus höheren Dimensionen logisch abzusichern. mit viel Vehemenz favorisierte er den Hyperraum zu einer Erkenntnisform, die selbst gänzlich Gegensätzliches vereinen könne. es sollte nicht unbedingt überzeugen, bloss ein wenig aufrütteln.
bedauerlicherweise gelang es ihm nicht, seine Zuhörer zu beirren. nicht einmal verwirrt hatte er sie. man klatschte am Ende höflich Beifall und freute sich auf einen Weinausschank, der beim ersten Glas dank der Portokasse des einladenden Lehrstuhls gratis verteilt wurde. seine utopische Beschwörung verlief sich bei einen smalltalkenden Miteinander ins Leere. er hätte überzeugender darlegen sollen, dass die Kunst in Zeiten digitaler Überhebung mit weitaus mehr Phantasie als die Wissenschaft ausloten kann, wie mit neuen Technologien gesellschaftliche Phänomene anders gesehen, eingeordnet und gelebt werden. und dies obwohl sie tatsächlich nur zeigt, dass mediale Innovationen die Gesellschaft nicht grundlegend ändern.