mikado als symptom
als er sich mit zwölf Jahren beim Ringen auf einer Vereins-Matte den Arm brach, musste er zwei Wochen in einem Krankenhausbett verbringen. Elle und Speiche waren bei einem falsch parierten Sturz glatt durchgetrennt und das Richten zog sich hin, weil es die Ärzte nicht nageln wollten. dreimal bekam er einen neuen Gips, bis die Knochen passend lagen, und er trug ihn über einen Monat. der Arm hatte währenddessen seine Muskeln auf ein Minimum reduziert, und sie brauchten Wochen, um sich wieder aufzubauen. die Zeit im Krankenhaus war eine langweilige gewesen. er las sogar Drei-Groschen-Romane, um leere Stunden zu füllen. die zeit verrann eintönig und liess sich besonders am späten Nachmittag nicht füllen. erst als in seinem Zimmer, das er noch mit vier anderen Kindern teilte, wegen Überbelegung ein Fussballer vom Oberligisten Energie Cottbus einzog, wurde es interessanter. der Profisportler erhielt jeden zweiten Tag Besuch von seinen Mitspielern, wurde aber wie alle anderen Kranken behandelt. so privilegiert waren damals Spitzenfussballer.
bei einer zweiten Operation Jahrzehnte später aufgrund eines Leistenbruchs verblieb er nur drei Tage in einer Klinik. er wurde in einer für Belegärzte behandelt und hatte als Chirurgen einen sogenannten Künstler. im Gegensatz zu den anderen Operierten litt er nach der Narkose an keinen Schmerzen und konnte gleich aufstehen. er musste es auch, da ihn ein Pfleger in das falsche Bett abgelegt hatte. die Aufenthaltskosten sind in Krankenhäusern heute immens, so dass die Kassen ihren Versicherten gleich einen Urlaub in einem Grand-Hotel finanzieren könnten. also wird alles unternommen, damit Patienten schnell auf die Beine kommen. das Essen ist miserabel und der Nachtschlaf bei einem ständigen Türenschlagen kein richtiger. nur Liebhaber von Fernsehsendungen geniessen dies, weil vor jedem Bett ein Bildschirm hängt. ihn hat das Geflimmer vom Lesen abgehalten und er musste dauernd hinschauen, da Filme von seinem Bettnachbarn nicht unkommentiert unter den Kopfhörern beschaut wurden, also mitzudiskutieren war.
wer bei einer immer teurer werden Apparatemedizin behandelt wird, soll wohl kompensatorisch leiden. als er mal mit einer angerissenen Sehne in einer MRT-Röhre untersucht wurde, war es ein ohrenbetäubender Schlagersound von Roberto Blanco, der ihn folterte. während er festgegurtet in einer MRT-Röhre wie in einem Sarg lag, wurden seine Trommelfelle von zu laut eingestellten Kopfhörern traktiert. den Alarmknopf drückte er nicht, obwohl die Schmerzen im Arm zunahmen. dieselbe Prozedur erneut über sich ergehen zu lassen, das wollte er sich nicht zumuten. er zählte wie in der Kindheit die Sekunden beim Versteckespielen und stellte fest, dass die Zeit schneller vergeht. wenn man den Zenit des Lebens überschritten hat, muss es wohl so sein. die letzten Jahre bis zum Rentenalter werden dann immer kürzere. sie dürfen nur nicht in den Wartezimmern von Arztpraxen oder in Krankenhäusern verbracht werden.