mikado als symptom
im Urlaub bevorzugt er wie bei der Kunst das hohe Niveau. ihn verlockt kein Strand, an dem die Erholung ermattet in der Horizontalen dahindöst und sich am Abend auf Promenaden die Beine vertritt. ein Gebirge hält täglich einen zu erwandernden Höhepunkt bereit. das erhebt und erfrischt, so der Wind den Kopf freibläst. es darf nur nicht regnen, dann wird es kompliziert mit den geplanten Besteigungen und das Ausharren in einer Hütte eine dröge Zeit. bei halbwegs gutem Wetter ist jeder Gipfel eine Herausforderung. er muss keine gute Aussicht bieten. wie einst von Petrarca wird er mit dem Wunsch erstiegen, eine veränderte Perspektive kontemplativ einzunehmen. Erweiterung des Bewusstseins nennen das manche, ihm ist es eine erlösende Abwechslung von den Mühen seiner Kunstproduktion. die Bergluft relativiert besser als jedes Meditieren angestaute Anspannungen.
der ausdauernde Wanderer nimmt die Natur existentiell mit fluiden Gesichtspunkten wahr. der Blick verändert sich in der Höhe und muss es, will er bei abrupten Wolkenbewegungen auf kaum ausgeschilderten Wegen bestehen. in den Schweizer Alpen erging es ihm so, als er dort leicht bekleidet auf sommerliche Schneereste stiess und erbärmlich fror. in den Karpaten trug er eine Woche lang einen schweren Rucksack bei einer Kammwanderung und abwechselnd einen Kanister mit Trinkwasser. man durfte nicht zu viel essen und sich beim Pausieren nicht hinsetzen, die Muskeln erschlafften dann bald. im Riesengebirge kämpfte er sich in Zeiten des Waldsterbens durch Bruchwälder und im Harz liess er sich verschwitzt an einem extrem heissen Sommertag auf dem Brocken den Wind um die Nase pfeifen, bis er unterkühlt in ein Restaurant flüchtete. der abhängige Rückweg ins Tal war stets anstrengender als der Aufstieg und brauchte Vesperpausen. am nächsten Tag meldete sich in den untrainierten Beinen ein Muskelkater und dennoch entspannte sich der Körper.
leider gehören solche Touren der Vergangenheit an. es ist schwierig in seinem Alter eine versierte Begleitung für Gebirgstouren zu finden. es liegen aber Alternativen vor. seitdem Hallen künstliche Kletterwände anbieten, müssen es keine echten Berge mit zu erklimmenden Felsen mehr sein. seine beiden Söhne probieren sich dort gern aus, weil die Musikbeschallung sie cool antreibt. auch ihm ist es inzwischen lieber, bei nur höchstens fünf Metern ganz kontrolliert etwas zu erklimmen. seine Höhenangst kann solche Distanzen akzeptieren. selbst wenn es minimal aufwärts bleibt, freut er sich, dass es vorangeht. daran hat sich das Ego inzwischen auch bei der eigenen Kunstproduktion gewöhnt.