mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

mit monumentalen Denkmälern ist er aufgewachsen. sie standen überall herum und warfen als steinerne Ungetüme harte Schlagschatten. man konnte sie nicht ignorieren und strafte sie desto mehr mit Ignoranz. anders war es bei einem Panzer der Roten Armee, der auf einem Ehrenmal vor der Wohnung seiner Tante in der Grenzstadt Forst dauerhaft parkte. sie mochte ihn nicht, da seine Kanone in Richtung ihrer Fenster zielte, aber er ist als Kind gern darauf herumgeklettert. nicht zu besteigen war die Lenin-Statue, die vor dem Haus einer anderen Tante in Berlin Wache hielt. von dort hätte man einen weiten Blick auf die Stadt gehabt. ebenso in Seelow von einem riesigen Bronze-Soldaten, der in einem Ehrenhain mit umgehängter Maschinenpistole paradiert und bei einer Schulexkursionen aus der Froschperspektive beäugte wurde. erst mit einem Seil wäre es möglich gewesen, ihm auf Augenhöhre zu kommen.
nach der Wiedervereinigung wurden etliche Mahnmale geschleift. so auch der schwer zu besteigende Lenin. man hat ihn zerlegt und verbuddelt. nicht den klobigen Thälmann im Prenzlauer Berg, welcher sich besser als Kletterfelsen eignet. mittlerweile ist er deswegen bis zur Unkenntlichkeit mit Graffitis besprüht. frühere Denkmäler waren weitsichtig von ihren Erbauern angelegt worden. man hat sie nicht bloss als klobige Monumente, sondern wie den Bismarckturm im Spreewald mit einer Aussichtsplattform gebaut. in real sozialistischen Zeiten war jenes Denkmal eine unzeitgemässe Sehenswürdigkeit, die ein dysfunktionales Dasein fristete. weil der Turm keinen Einblick auf militärische Übungsplätze geben sollte, blieb er verschlossen. vor dem Fall der Berliner Mauer war der Feind allerorten zu vermuten. nur hatte die Wachsamkeit nichts genutzt, eher das Erodieren eines depressiven Systems beschleunigt.
für eine politisch korrekte Wiedervereinigung musste die deutsche Geschichte mit neuen Symbolen neutralisiert werden. jetzt haben in der Hauptstadt diverse Opfergruppen aus den Zeiten des Nazi-Terrors ein je eigenes Denkmal. obwohl jedes sich einfallsreich kapriziert, damit es in einer überaufgeklärte Zeit auffällt, nutzt es sich ab. dagegen kommt selbst eine ominös innovative Gestaltung wie bei dem Holocaust-Mahnmal nicht an. jene Gedenkstätte wurde als architektonisches Highlight aus 2700 Betonquadern installiert, die wellenförmig ein geschwungenes Feld imaginieren. derartiges verweigert sich radikal einer symbolischen Deutung. es soll als formale Dekonstruktion ein Gefühl der abgründigen Leere vermitteln und kann mit einer unpathetischen Gewichtung kaum eine andächtige Stimmung auslösen. ein Dokumentationszentrum muss daher ausgiebig über eine historische Dimension informieren. die Besucher erleben das Stelenfeld gleichwohl als einen Abenteuerspielplatz, auf dem sie von Stein zu Stein springen oder auf den hohen sich zu einem Picknick versammeln.