mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

versagt die Stimme wegen einer Erkältung, muss der Redeschwall aus fremden Mündern unwidersprochen bleiben. seit seiner Kindheit leidet er unter anhaltenden Halsschmerzen, der Rachen ist in den feuchten Monaten schnell entzündet. bereits das Schlucken ohne Reden schmerzt und kein Zitronentee, keine Honigmilch kommt dagegen an. als er den Tip erhielt, die Entzündungen mit einer Ingwerwurzel auszukurieren, wurde es noch schlimmer. sein Mund brannte wie ein Fegefeuer. erst ein in der Apotheke empfohlener Umckaloabo-Extrakt wirkte nachhaltig und erlöste von einem fast schon chronischen Halskatarrh.
sein Skeptizismus hat ihn früh davor bewahrt, Lügen auf den Leim zu gehen, und eine schwache Stimme bei Halsschmerzen verhinderte, auf verschlagene Provokationen hereinzufallen. sein Mundwerk ist zwar wieder kräftig, dennoch zieht er es vor, lieber zuzuhören als in Gespräch dazuzugehören. es gibt Besserwisser, mit denen nicht zu diskutieren ist und denen er ein schwaches Stimmband wünscht. sie haben augenblicklich immer Recht und wenn nicht, werden sie zu Labersäcken, um ihr Recht zu bekommen. sie reden sich um Kopf und Kragen, so sie stundenlang darüber disputieren, wie man korrekt miteinander zu reden hat. in solchen Gesprächskreisen ist feinsinnig keine Anspielstation zu finden. nicht einmal der Freiraum für Selbstgespräche bleibt.
als Kind schlürfte er gern einen Zwiebelsirup, den ihm seine Grossmutter bei Erkältungen mixte. es schmeckte, half allerdings nicht wirklich. ganz schlimm erwischte es ihn einmal als Jugendlicher am Tag der Abi-Abschlussfeier, so dass er sie mit einem vornehmen Schweigen überstehen musste. der Morgen begann mit einem leichten Kratzen im Hals und nach einer zugigen Autofahrt war die Stimme ganz weg. er konnte einzig noch nicken, wenn man ihn wegen seines guten Zensurenschnittes lobte. das war zu ertragen. bedauerlich war, dass er seinem Klassenlehrer nichts entgegnen konnte, als jener ihm erklärte, er hätte ihn vor den Prüfungen gern der Schule verwiesen und dafür einen Antrag gestellt. weil er sich nicht wie alle anderen für ein Studium beworben hatte, nahm er seiner Meinung nach jemanden, der es mehr verdient hätte, einen Platz weg. heute denkt er, dass er einen anderen davor bewahrt hat, unter miesen pädagogischen Verhältnissen zu versauern. das Lernen für das Abitur war eine Konditionierung zu einer opportunen Prinzipienlosigkeit. nur mit Distanz konnte man sich dagegen wehren. die meisten seiner Mitschüler haben bald ihre Lebensträume begraben. sie fanden sich mit einer Technikerausbildung ab und waren dafür bereit, drei dröge Jahre als Unteroffizier in der Armee zu dienen.