mikado als symptom
er schaut in ihre braunen Augen, auf makellose Gesichter, welche nach Projektionen ausschauen. sie werden von unzähligen Verehrern täglich auf Werbeplakaten angestarrt. mit einem schmalen Körper und übergrossem Kopf lösen sie einen Beschützerinstinkt aus. gleichzeitig können sie ein stimulierendes Motiv für potentielle Päderasten sein. wir haben den Jugendwahn, so dass es bei Fotomodellen mädchen- und knabenhafte Körper sein müssen. das Individuelle wird infantiler eine magerer Manie, die in den Medien geheime Wünsche auslebt oder bei namhaften Schauspielern verschroben dagegen verstösst.
in seiner Lebestadt Berlin kann man unverhofft auf eine Filmprominenz treffen. man muss sie freilich im Passantenstrom zu identifizieren vermögen und deshalb viel fernsehen. er wird auf sie hingewiesen, wenn er einem Besuch aus der Provinz architektonische Highlights oder Kiez-Charme zeigen will. er kann dann eine Rebecca Mir, Heidi Klum, eine Inka Bause und wen nicht noch alles begutachten. es muss ihn aber jemand die Namen nennen, da er Stars nur vom Hörensagen kennt und die Gesichter schwerlich zuordnen kann. für ihn diffundiert der Mensch mit seiner Umgebung, er wächst als ein Fremder in sie hinein. was als Entfremdung empfunden wird, ist nicht zu vermeiden, ist Ausdruck der lebenden Bewegung, so dass niemand je gleich ist. und dies obwohl alle sich irgendwie gleichen, mithin das Ich kein anderer mehr sein kann und will.
seit langem träumt er, in einem Hyperraum zu flanieren, in dem ihm keine Menschen, keine Prominenten und keine Kauze begegnen. er sieht einzig schwerelose Wünsche als Projektionen auftauchen. hier ist sein Reich, in dem er sich auskennt. es gibt mehr Optionen als Wirklichkeit. jene Welt will imaginiert werden, jede Nacht wieder neu, auf dass ein Leben transzendierbar bleibt. wenn er tagsüber eine Ablenkung von der Arbeit braucht, besucht er kein Varieté, kein Theater und kein Kino, er fährt einfach kreuz die quer mit der U-Bahn herum. zu fast jeder Tageszeit wird ein interessantes Programm mit verliebten Teenagern, mäkelnden Müttern und einsamen Rentnern geboten, das Strassenmusiker mit dem entsprechenden Sound einrahmen. die Münder kommunizieren in vielen Sprachen englisch, während man wenig versteht. ihre Sprachblasen sind wie seine halluzinierten Träume ohne Abschluss und Anschluss.