mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

der Hausputz war in seiner Kindheit ein Ritual mit viel Lärmen und Zugluft. täglich wurde der Staub in der die Wohnung gesaugt und jede zweite Woche kamen noch die kleine und monatlich die grosse Hausreinigung dazu. in einer Zeit des billigen Wohnens wurde von den Mietern selbst die Treppe gewischt und der Keller sowie Gehweg vor dem Haus gekehrt. als heranwachsender Teenager war es in der Familie meist seine Aufgabe und es gab immer Gründe, das Ergebnis zu monieren. so auch später in einer ersten Junggesellen-Wohnung, wo in der Fahrstuhletage sechs Fenster auf eine Reinigung warteten. dafür wurde kein passendes Gerät ausgeben, lediglich reihum eine Karte zur Erinnerung an den Türknauf gehängt, und damit nichts durcheinander kam, hing im Aufgang noch ein Kalender mit den eingetragenen Namen. wer säumig wurde, bekam Ärger mit besorgten Nachbarn oder einem peniblen Blockwart, welcher sich Hausvertrauensmann nannte.
in einer WG, in der er mit einer Freundin später kollektiv lebte, war Ähnliches durchzustehen. hier erwartete alle quartalsmässig ein Mega-Abwasch in einer völlig verschmutzen Gemeinschaftsküche. jeder kam mal dran und musste Stunden dafür opfern. das Ergebnis stellte selten zufrieden, wurde basisdemokratisch diskutiert und irgendwann über nichts anderes mehr. in den eigenen vier Wänden reinigt er gern die Zimmer, da es vom Nachdenken entspannt und von unlösbaren Problemen ablenkt. doch er kommt gar nicht mehr regelmässig zum Putzen, seit die Kinder erwachsen werden und ihre eigenen Wege gehen. es ist weniger aufzuräumen, die Wohnung verlottert langsamer, ohne dass es bemerkt wird. wegen dem Tabaksqualm vergilben unmerklich die Tapeten und in der Küche vom Brasen umso mehr. seitdem Wände nicht mit der geleimten Wandfarbe gekalkt werden, verlieren sie umso schneller ihr Weiss und die Motivation sinkt, sie erneut zu streichen.
alles ausserhalb der Wohnung wird von Reinigungsfirmen gepflegt und instandgehalten, so dass den Mietern einzig das Verschmutzen und Vermüllen obliegt. man verabredet sich nicht mehr, um gemeinsam bei einem erfrischenden Herbst- oder Frühjahrsputz den Hof selbst zu gestalten. manche haben sich deshalb einen eigenen Garten angeschafft. dort ist als Ausgleich für das stressreiche Jobben ständig etwas zu pflanzen oder zu jäten. und das Gehirn darf sich in Teilen ausschalten. Thomas Bernhard kaufte alte Bauernhäuser, um sie fleissig zu renovieren. so war er gegen Schreibhemmungen gefeit. eine solche Selbstdisziplinierung ist ein vorsorgliches Mittel gegen kreative Blockaden. man möchte in solchen Leerzeiten zuweilen Bäume fällen oder Wiesen umgraben, wenn es mit der eigenen Arbeit nicht vorangeht. als Ausgleich liegt aber nur eine Hantel vor. es werden dann zehn Kilo abwechselnd links und rechts gestemmt, auf dass der Geist ins Schwitzen und auf andere Gedanken komme. hilft es nicht, dann dreht er seine Runden durch die Stadt, bis die Füsse schmerzen.