mikado als symptom


(eine vage klarstellung)

abwarten und Tee trinken. so tröstete man sich im sozialistischen Alltag über sinnstiftende Durststrecken hinweg und dabei wurde ständig ein Kaffee geschlürft. der viel härtere Grüntee kam erst Mitte der 80er Jahre auf und wurde weniger als Aufputschmittel, eher zur Entspannung zelebriert. es war schwer, eine rechte Mischung zu bekommen, doch bald gab es Spezialitäten-Läden, die sogar in der Provinz Käufer anzogen. der Geniesser lernte Qualität kennen und als Distinktion zu schätzen. ein Aufguss wurde nicht einfach getrunken, er wurde in Ruhe genossen. von Töpfern kaufte man sich Schalen und wärmte vor dem Aufbrühren professionell die Kanne an. lange war es nur die Grusinische Mischung in der Keramiktasse, wobei niemand wusste, was für Unkräuter hier mitfermentiert wurden. bei einem noblen Darjeeling, Earl Grey oder Rauchtee war derartiges keinesfalls zu befürchten.
mit den Tee-Zeremonien tauchten auch die Zen-Buddhisten in seiner Heimatstadt auf. sogar im nahen Bekanntenkreis tummelten sich welche, die für ihre Lebensart die Religion als private Nische entdeckten. er wurde von ihnen eingeladen und trank gemeinsam den Aufguss vor einem miniaturisierten Zen-Garten. Räucherstäbchen und die entsprechende Musik untermalten die Atmosphäre. hier wurde er mit Koans bekannt gemacht, die ihn als paradoxe Statements natürlich faszinierten, aber nicht bekehrten. er versuchte sie zu analysieren, obwohl ihm davon abgeraten wurde, da sie erst in einer Phase der Erleuchtung oder einer angeleiteten Meditation verständlich sein sollten. trotzdem probierte er es und las dazu Laotses Tao Te King.
das Klatschen mit einer Hand übte er so lange, bis es ihm gelang. treffen die Finger geschlossen schnell auf ihren eigenen Handballen, erzeugen sie ebenso einen Druckimpuls, der sich als Schallwelle ausbreitet. somit war das Paradox für ihn kein richtiges mehr und der Buddhismus ein wenig entzaubert. ein Koan will dazu überreden, das rationale Denken aufzugeben, um zu einer angeblich neuen Dimension des Bewusstseins vorzustossen. er bevorzugte dafür die zweiwertige Logik, welche mit radikaleren Paradoxien zu anderen Erleuchtungen führt, und ist wieder auf die preiswerten Teebeutel umgestiegen. den Buddhismus sieht er genauso skeptisch wie andere Religionen mit einer gleichfalls blutigen Geschichte und fern von einer Friedfertigkeit, die Gutgläubige auf ihn projizieren. zur Meditation unbegabt und ebenso dazu beim Teetrinken über sich hinauszuwachsen, verharrt er lieber im Profanen bei einer Flasche Bier und erweitert seinen Erkenntnishorizont nicht mit gefährlichen Sinnfragen. er weiss inzwischen, dass der Sinn des Lebens nicht in einer dauernden Sinnsuche bestehen kann.