petting des ich


(ein investigativer rückblick)

am Silvesterabend habe ich in den Jahren vor dem Millennium meine Wünsche in den Himmel geschossen. sie wurden auf einem Blatt Papier in Druckbuchstaben notiert, an eine Rakete geklebt und abgefeuert. geholfen hat es noch nie. das Wünschen war wohl zu unbescheiden formuliert und somit keine selbstverständliche Angelegenheit, ähnlich wie bei den vielen Prosits und Vorsätzen, welche zum Jahreswechsel vorgetragen werden. dafür versammeln sich illustre Gesellschaften, in denen Leute mehr oder weniger stark alkoholisiert sich danach in die Arme fallen. am Tag danach erinnert sich jeder, stark verkatert, höchst schwach an ewig gestrige Vorhaben. bei mir war es wieder der beabsichtigte Neujahrslauf auf einer lockeren 4-km-Strecke und der schon lang aufgeschobene Konzertbesuch bei den Berliner Philharmonikern.
den Brauch mit dem Raketenballern hat meine Familie endlich aufgegeben. sie wurden immer wegen meiner Söhne gekauft, die solches Zauberwerk als Vorfreude aufregend fanden. es nervt jedoch, wenn es in den letzten Stunden des Jahres um einen herum heftigst bengalisch knallt. und besonders dort, wo Betrunkene wild auf der Strasse oder in U-Bahnschächten sich freuen, wenn sie jemand erschrecken. wer sich keinen Hörsturz riskieren will, zieht sich zurück und beobachtet durchs Fensterglas das offiziell choreographierte Feuerwerk hinter dem Brandenburger Tor. mit Distanz kann besinnlicher über Kommendes nachgedacht werden. zielführende Wünsche fallen mir dabei kaum noch ein. obwohl ich nicht wunschlos bin und völlig frustriert auch nicht, möchte ich mich nicht auf Pläne festlegen. Plan A wird sowieso von Plan B und der dann von Plan C, D, oder E abgelöst. das obligatorische Bleigiessen motivierte eine Zeitlang zu phantasievolleren Absichtserklärungen und war unterhaltend, solange Erheiterndes dazu einfiel. im Mittelalter interpretierten arme Menschen das gegossene Blei als ein Orakel, um sich über den Verlauf von Krankheiten zu unterrichten. nun haben wir ein immer teurer werdendes Gesundheitswesen mit Magnetresonanz-Röhren und anderen aufwendigen Diagnose-Geräten, die allein Experten deuten können.
nur muss ich unbedingt wissen, dass sich im Laufe des Lebens die Bandscheiben abnutzen und wie es in der Leber bei einem täglichen Bierkonsum aussieht? es ist besser, dass Vernutzungen im Vagen bleiben. ein sorgloses Leben behält seine Selbstheilungskräfte und den selbstbewussten Optimismus für ein Weitermachen. bleibt er aus, suche ich am Anfang eines Jahres nicht nach sinngebenden Ideen für andere Projekte. es wird einfach verbessert, was bereits vorliegt. somit bin ich fortwährend beschäftigt. wie ein Bauer ziehe ich routiniert meine Furchen und stosse manchmal auf grosse Kartoffeln, die ein Zufallsfund sind und selbstbezügliche eine Unzustellbarkeit bleiben, solange das Renommee im Kulturbetrieb fehlt.