petting des ich
sein Horoskop liest er ungern und deshalb ganz fix, selbst wo es ihm wegen dem Sternbild Jungfrau Erfolg verspricht. die Sterne fordern ihn aber immer dazu auf, sich auf Veränderungen einzulassen und penible Ansprüche, die er als impulsiver Mensch gar nicht hat, aufzugeben. als er sechs Jahre zählte, hat ihm eine bejahrte Handleserin in Rumänien ein ziemlich langes Leben prophezeit. damals konnte er sich die Konsequenzen noch nicht ausmalen. heute würde er es als Nötigung oder einen infamen Schwindel interpretieren. er hält schliesslich seit langem mit Nikotin sowie Alkohol dagegen und giftige Abgase aus täglich zu beschnuppernden Auspuffen tun ihr übriges. die Aussicht im hohen Alter, in einem drögen Pflegeheim weiterhin sich sowie sein Umfeld ertragen zu müssen, deprimiert jetzt schon.
als Kind konnte er es nicht erwarten, älter zu werden. er wollte schneller wachsen, selbstbestimmter leben und vor allem lange abends aufbleiben, um die spannenden Filme zu sehen. nach der Jugendweihe kamen die ersten Zweifel auf. die Souveränität der Erwachsenen wurde als Einsicht in unangenehme Notwendigkeiten wie die bevorstehende Einberufung in den Armeedienst und das folgend dröge Berufsleben durchschaut. dafür lohnte es sich keinesfalls, die Adoleszenz und das mit ihr angenehm zu Verbindende aufzugeben. vor allem durfte man nicht zu früh Vater werden und wie die Eltern ein prosaisches Familienleben eingehen. solches wurde zwar vom Staat mit einem zinslosen Ehekredit belohnt, hätte indes die eigenen Lebenspläne über den Haufen geworfen. in einer Zeit, als die Weiblichkeit mit der Anti-Baby-Pille bestimmte, ob die körperliche Liebe Früchte trug, war die zukünftige Ausrichtung eine unvorhersehbare. in seinem Bekanntenkreis mussten deshalb einige Freunde schwer am Wochenende schwarzarbeiten, um die Alimente für ihre unehelichen Kinder zahlen zu können.
auch wenn es bei niedrigen Löhnen und unvermeidlichen Ausgaben für das abendliche Kneipen hart war, wurde die Hoffnung auf bessere Zeiten niemals aufgegeben. bei bedrückend nächtlicher Stimmung reichte es aus, eine Sternschnuppe am Himmel zu sehen. man konnte sich etwas wünschen und es laut sagen, damit man sicher ging, dass sich wenigstens Unangenehmes nicht erfüllte. Optimisten und Karrieremacher müssen das Leben von der sicheren Seite aus poppen, und der Preis, den sie dafür zahlen, ist hoch. sie können Fehler, die nicht begangen wurden, später nicht bereuen. höchstens ihnen nachtrauern, so die Zeit kommt, wo ungenutzte Gelegenheiten mehr bedauert werden als peinliche Erinnerungen. wer frei sein will von Illusionen, muss sich nach dem Jesuiten Gracián gründlich enttäuschen. er darf keine Gelegenheit zur Täuschung auslassen, schrieb er in seinem Kritikon. aber was würde am Ende übrigbleiben? und welche Nachteile hätte man für diese Radikalität auszustehen? vielleicht ist es besser, nicht wie Don Quixote gegen, sondern für Windmühlen zu kämpfen.