mikado als symptom
unter Hochspannungsmasten erkundete er als Kind die Natur, und es war unmöglich ihnen auszuweichen. in seiner Heimat, wo seit über 100 Jahren Kraftwerke gebaut werden, die Braunkohle für den landesweiten Strombedarf verheizen, fliesst in viele Richtungen Energie. überall stiess der Wanderer auf Masten mit weithängenden Starkstromleitungen. für manchen war es eine Mutprobe, so lange direkt unter ihnen auszuharren, bis sich zirpend im Körper das Gefühl ausbreitete, magnetisiert zu sein. ob es eine Einbildung war, bleibt nach wie vor umstritten. manche Experten meinen, der Elektrosmog führe zu Herzinfarkten oder verursache Kopfschmerzen. für ihn war er ein Nervenkitzel, der das Gefühl aufkommen liess, voller Energie zu sein.
von der Kunst erwartet man dergleichen heute auch. deswegen muss sie mit immer mehr Power auftrumpfen und die Gemüter in ausufernden Formaten erreichen. da das Formale ziemlich ausgereizt scheint, versuchen Bilder in Galerien, die zunehmend Show-rooms sind, perfekt designt zu glänzen. das beeindruckt, wo es professionell mit den entsprechenden Referenzen daherkommt. eine Kunst, die keine derartigen Absicherungen aufweist, erzielt wenig Anerkennung. um ein vermögenes Talent in entsprechende Kreise zu lancieren, muss der Künstler Schlüsselpositionen besetzen, Vereine gründen und Jurys angehören. eine derartige Zünftigkeit ist ihm als introvertierter Menschen nie gelungen, nicht mal das Finanzamt konnte er mit seinem Arbeiten überzeugen. obwohl er Ausgaben für Ausstellungen im In- und Ausland vorwies, hat man ihn wegen einem ausbleibenden Gewinn, von einer kreativen Profession suspendiert.
in jungen Jahren haben ihn ausgestellte Bilder elektrifiziert. sie waren eine Droge, welche den Blick auf andere Brennstärken schraubte. es war ständig etwas zu entdecken und, da er wenig ästhetische Orientierung in der Schule und durch die Familie bekam, auch nachzuholen. mittlerweile ist die Kunst für ihn ein Schutzraum, ein faradayscher Käfig geworden oder in aufkommenden Momenten der Einsamkeit ein Gesprächspartner. dabei dürfen andere nicht stören. er bevorzugt das Unbekannte, Leise und bewegt sich in einem Niemandsland, das es eigentlich nicht mehr gibt, seitdem fast jeder mit einer entsprechenden Ausrüstung den Mont Everest besteigen und den Südpol bezwingen kann. und dies inzwischen auch in Museen, wo der umtriebige Olafur Eliasson Räume zu einem landschaftlichen Disneylands gestaltet. dafür benötigt jener wie ein Betriebschef ein Studio mit 300 Angestellten. er hingegen ist als unpopulärer Künstler nur sein eigener Angestellter und dazu noch die Gewerkschaft, damit er sich nicht allzu sehr ausbeute.